Der Podcast von Luke Mockridge hat viele Menschen schockiert. Inklusionsaktivist Benedikt Lika nimmt das zum Anlass über den Status Quo von Diskriminierung in unserer Gesellschaft nachzudenken.
Wir haben das Jahr 2024 – und immer noch müssen Menschen mit Behinderung solche Respektlosigkeiten ertragen?
Menschen mit Behinderung müssen solche Respektlosigkeiten, wie das unsägliche Video von Luke Mockridge und seinen beiden Podcastkollegen nicht ertragen. Das hat der Shitstorm und auch die mittlerweile eingetretenen Reaktionen, denke ich, gut bewiesen.
Es scheint einen breiten Konsens in der Gesellschaft – und scheinbar nun auch in den Medien – zu geben, dass die drei Protagonisten eine dunkelrote Linie überschritten haben. Was mich allerdings durchaus nachdenklich macht, ist die Tatsache, dass das Video 3 Wochen online war, ohne dass davon in den Medien in irgendeiner Weise Kenntnis genommen wurde und dass erst die Community der sogenannten „Inkluencer“ (Inklusions-Influencer) darauf aufmerksam machen musste, welch menschenverachtendes, widerwärtiges und diskriminierendes Menschenbild hier ungefiltert verbreitet worden ist, unter einem vermeintlichen Deckmantel von „schwarzem Humor“. Parallel zur breiten, positiven und begeisternden Medienberichterstattung der Paralympics, die ein Bild von leistungserbringenden, selbstbewussten und selbstbestimmten Menschen mit Behinderung in die Welt ausgestrahlt haben.
Das Video ist auch kein Versehen oder eine Affekthandlung, in der ein Stammtischniveau unterschritten wurde, sondern es war ein bewusster Akt von Lächerlichmachung, Diskriminierung und Verunglimpfung von Menschen mit Behinderung. Und somit auch nicht entschuldbar.
Ist Diskriminierung Schnee von gestern und für dich brandaktuell?
Statistisch ist es bewiesen, dass Menschen mit Behinderung v.a. Frauen und junge Mädchen stärker von sexualisierter und sexueller Gewalt betroffen sind als ihre nicht behinderten Altersgenossinnen. Diskriminierung ist auch weiterhin brandaktuell, wenn es um das Thema Arbeit geht. Menschen mit Behinderung sind trotz Fachkräftemangel und offenen Ausbildungsplätze stärker von Arbeitslosigkeit betroffen als Menschen ohne Beeinträchtigung. Noch immer müssen wir an einem selbstverständlichen Umgang miteinander arbeiten und gesellschaftliche Ressentiments abbauen. Ein hoffnungsvoller Lichtstreifen am Horizont sind allerdings aktuelle Umfragen unter Kindern und Jugendlichen, die den Themen Inklusion und Diversität eine hohe Bedeutung beimessen. Das Thema Diskriminierung im Alltag ist also trotz aller gesellschaftspolitischen Bemühungen immer noch virulent. Und wir sind als Gesamtgesellschaft aufgefordert hier weiterhin aktiv gegenzusteuern.
Wo sind deiner Meinung nach die Grenzen des Humors erreicht?
Humor hat dort seine Grenzen, wo er verletzend und diskriminierend ist. Humor tritt vor allem nicht nach unten und Humor braucht eine Pointe. All dies erfüllt das Video in meinen Augen nicht.
Siehst du ein Projekt wie „Hier klingt’s mir gut“ in der Pflicht, sich diesbezüglich zu äußern oder zu positionieren?
„Hier klingt‘s mir gut“ zeigt, dass ein Miteinander von Menschen mit Behinderung und ohne Beeinträchtigung funktioniert und eine Bereicherung für die Gesellschaft ist. Von daher bin ich der Meinung, dass man sich positionieren muss und deutlich machen muss, dass es auch anders geht.
Apropos Diskriminierung. Wo siehst du im Bereich der Musik offene Punkte? Wo steht Diskriminierung auf der Tagesordnung?
Die Diskriminierung im Bereich der Musik beginnt oftmals schon in der Infrastruktur, zu wenige oder fehlende Rollstuhlplätze, aufwendige Kartenreservierung ohne Möglichkeit dies online zu tätigen, wie alle anderen auch, keine Induktionsschleifen. Sie existiert aber auch in der noch immer ausbaufähigen Teilhabe von Menschen mit Behinderung in Musikschulen, um dort ein Instrument zu lernen, außerhalb der Einrichtungen für diese Personengruppe Menschen. Daraus folgt, dass es zu wenige „Role-Models“ im professionellen Kulturbetrieb gibt. Zu starre Vorgaben bei Aufnahmeprüfungen an Musikhochschulen, die den Werdegang hin zu einem solchen „Role-Model“ verhindern. Hier ist noch viel zu tun..
Benedikt Lika, Juror bei „Hier klingt’s mir gut“