„Ein Orchester funktioniert wie ein Netzwerk“

Prof. Florian Ludwig von der HFM Detmold ist ein Mann der Musik – nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis. Als Dirigent, Musikdirektor, Chorleiter und Hochschuldozent kennt er so gut wie alle die Facetten des Musiklebens. Im Gespräch mit Hier klingt’s mir gut erzählt er, warum wir mehr Teilhabe und weniger Etikette brauchen.

Musik als Spiegel der Gesellschaft
„In einer Welt, die an vielen Ecken und Enden auseinanderzufallen droht, bietet Musik einen Ort, an dem Menschen soziale Kompetenzen und Gemeinschaft erleben können“, erklärt Prof. Florian Ludwig. Musik hat für ihn nicht nur einen kulturellen, sondern auch einen sozialen Wert. Gerade Chöre und Orchester sieht er als Modelle für ein demokratisches Miteinander.

„Ein Orchester funktioniert wie ein Netzwerk“, beschreibt er. „Nur wenn alle in dieselbe Richtung arbeiten und aufeinander achten, entsteht Harmonie. Das ist ein wunderschönes Sinnbild für unsere Gesellschaft.“

Die Herausforderungen der Inklusion
Doch Teilhabe in der klassischen Musik ist kein Selbstläufer. Finanzielle Engpässe, bürokratische Hürden und gesellschaftliche Strukturen erschweren Projekte, die auf mehr Diversität und Inklusion abzielen.

Ein Beispiel ist die musikalische Bildung in Schulen, die laut Ludwig viel zu kurz kommt. „Wir haben ein Bildungssystem, das Begabungen oft gar nicht erst aufblühen lässt. Das betrifft nicht nur Kinder aus sozial benachteiligten Familien, sondern alle, die sich für klassische Musik begeistern würden, aber sie gar nicht erst kennenlernen und so keine Chance haben, ihr Talent zu entwickeln.“

Erfolgreiche Modelle der Teilhabe
Trotz dieser Herausforderungen gibt es inspirierende Projekte, die zeigen, wie Inklusion gelingen kann. Prof. Ludwig berichtet von seiner Zeit in Hagen, wo er mit der Oberlin-Schule für Kinder mit Schwerstbehinderungen zusammenarbeitete: „Durch den Leiter unseres Kinder- und Jugendtheaters haben wir für die Kinder Opernproduktionen erlebbar gemacht, das Orchester in die Schule gebracht und ihnen die Möglichkeit gegeben, Instrumente hautnah zu erleben. Die unmittelbare Freude und Emotionalität, die diese Kinder zeigten, waren ein Spiegelbild dessen, was Musik bewirken kann.“

Ein weiteres Beispiel ist der Philharmonische Chor in Hagen, den Ludwig aufbaute. Hier fanden besonders ältere Menschen einen Ort, an dem sie auch nach der Verrentung in Kontakt mit anderen bleiben konnten. „Chöre bieten nicht nur künstlerische, sondern auch soziale Erlebnisse. Sie sind Orte der Begegnung, die Menschen zusammenbringen.“

Neue Konzertformate als Chance
Besonders eindrücklich schildert Prof. Ludwig, wie bedeutend die direkte körperliche Erfahrung von Musik sein kann. „Wenn Kinder ihre Hand auf einen Kontrabass legen oder ihr Ohr an das vibrierende Holz halten, erleben sie Musik nicht nur als Klang, sondern auch als physische Kraft. Diese Momente lösen oft tiefe Emotionen und Freude aus, die man nur gesund nennen kann. Die Heilungskraft der Musik ist enorm.“ Auch in der Praxis zeigt sich, wie wichtig Offenheit ist: Von blinden Sängerinnen bis hin zu tauben Schlagzeugerinnen auf Weltniveau – die Beispiele zeigen, dass die Grenzen der Musik nur in unseren Vorstellungen liegen. „Wir dürfen keine Grenzzäune bauen, sondern müssen das System offenlassen und dafür sorgen, dass diese Offenheit propagiert und gelebt wird.“

Solche Ideen passen zu uns von Hier klingt’s mir gut: Der Gedanke, dass Teilhabe nicht nur auf Menschen mit Handicap abzielt, sondern auf alle – das ist das Ziel der Inklusion. Dass sie keine Rolle mehr spielen muss. Das Ziel sollte sein, Konzerte so zu gestalten, dass jeder Mensch in seiner Einzigartigkeit willkommen ist.“.

Musik als Werkzeug der Veränderung
Florian Ludwig’s Vision für mehr Teilhabe in der klassischen Musik ist nicht nur eine Einladung, sondern auch eine Herausforderung an die Gesellschaft. Musik kann Schranken überwinden und Begegnungen schaffen, die ohne sie kaum möglich wären. Doch dafür braucht es Offenheit, Kreativität und die Bereitschaft, Neues zu wagen.

Mit Projekten wie Hier klingt’s mir gut wollen solche Ideen weitergetragen werden. „Musik hat die Kraft, Menschen zu verbinden“, sagt Ludwig. „Und genau das sollten wir nutzen.“

Prof. Florian Ludwig | Foto © Rolf K. Wegst

Consent-Management-Plattform von Real Cookie Banner Skip to content