Ein Erfahrungsbericht von Jana Hellem (Thonkunst und Jurorin bei Hier klingts mir gut)
Als wir 2008 mit Thonkunst angefangen haben, hätten wir niemals gedacht, dass wir einmal hier stehen würden – mit einem inklusiven Musikprojekt, das nicht nur existiert, sondern wächst, sich entwickelt und einen hohen künstlerischen Anspruch verfolgt. Doch so ein Projekt entsteht nicht von allein. Es steckt jahrelange Arbeit darin, und manchmal müssen wir heute sogar noch härter an unserer Qualität arbeiten als früher.
Eine Frage, die mich in all den Jahren immer wieder beschäftigt hat, ist: Wie vertragen sich Inklusion und Leistung? Oft wird angenommen, dass musikalische Qualität und Inklusion nicht zusammenpassen. Dass es entweder um Leistung oder um Teilhabe gehen muss. Meine Erfahrung zeigt mir jedoch, dass diese Gegenüberstellung so nicht stimmt.
Sowohl bei Thonkunst als auch in meiner täglichen Arbeit in der Werkstatt habe ich gemerkt, dass viele Menschen mit Behinderung weit mehr Potenzial haben, als ihnen im Allgemeinen zugetraut wird. Ich selbst habe hohe Ansprüche – an mich, an meine Arbeit und auch an die Menschen, mit denen ich zusammenarbeite. Und ich habe erlebt, wie es Menschen stärkt, wenn man ihnen etwas zutraut.
Ja, der Weg zu hoher Qualität ist manchmal länger, vielleicht auch steiniger. Aber die Erfahrung zeigt: Es lohnt sich. Denn wenn Menschen an Herausforderungen wachsen, erleben sie Wertschätzung – und nicht nur sie, sondern auch das Publikum spürt das.
Gleichzeitig weiß ich, dass nicht jeder Mensch, mit oder ohne Behinderung, jedem Qualitätsanspruch gerecht werden kann. Auch das habe ich bei Thonkunst erlebt. Und es ist nicht immer einfach, das auszuhalten, ohne an den eigenen Ansprüchen zu zweifeln.
Doch vielleicht ist genau das der Kern von Inklusion: zu akzeptieren, dass Leistung individuell ist, dass Qualität nicht an Perfektion, sondern an Möglichkeiten und Hingabe gemessen wird. Auch viele nichtbehinderte Musikerinnen und Musiker scheitern an bestimmten Erwartungen. Die Frage ist, wie wir damit umgehen – und wie wir Räume schaffen, in denen Menschen ihr Bestes geben können, ohne dass ihnen von vornherein etwas abgesprochen wird.
Was mich antreibt, ist die Begeisterung für Musik und für das, was möglich wird, wenn Menschen ihre Grenzen überwinden. Inklusion bedeutet für mich nicht, dass alles immer leicht ist – aber sie bedeutet, dass wir das Potenzial sehen, statt nur die vermeintlichen Hürden.
Und wie klingt nun Inklusion? Vielleicht klingt sie genau so: Nach Offenheit. Nach Vielfalt. Nach Möglichkeiten, die man erst erkennt, wenn man sie zulässt.
Foto © BBW Leipzig Gruppe